Engstand bedeutet, dass die Zähne im Kiefer aufgrund von Platzmangel zu eng beieinander stehen. Wir erläutern Ihnen in diesem Artikel die Ursachen, Folgen und Behandlungsmöglichkeiten von einem Engstand und wie Sie schiefe Zähne wieder loswerden können.
Ursachen des Engstands
Primärer Engstand
Die Zähne sind beim primären Engstand entweder in Relation zum Kiefer zu groß sind, oder der Kiefer zu klein für die Zähne ist. Man vermutet genetische Ursachen.
Funktioneller Engstand
Viel häufiger ist allerdings der funktionelle Engstand, der entsteht, weil die Balance zwischen Zungen-, Wangen- und Lippenmuskulatur nicht stimmt. Der Leidtragende ist dann der Kiefer, der in der Mitte zwischen diesen Muskelgruppen liegt und nicht so wachsen kann wie er müsste. Die Zähne wachsen dann gedreht oder gekippt, um so den Platzmangel im Kiefer zu kompensieren.
Engstand bei gestörtem Zahnwechsel infolge eines frühzeitigen Milchzahnverlusts
Neben genetischen und funktionellen Ursachen kann auch ein verfrühter Ausfall eines Milchzahnes einen Engstand bedingen. Dies kommt z.B. aufgrund von Karies vor. Wenn ein Milchzahn ausfällt, kommt normaler Weise schnell ein neuer, bleibender Zahn nach. Geht ein Milchzahn frühzeitig verloren, so kommt der darunter liegende bleibende Zahn nicht sofort nach, sondern die dahinter liegenden Zähne rücken in der Reihe ein wenig auf. Der Platz für den Zahn, der eigentlich in diese Lücke wachsen sollte, ist nun eingeengt und der neue, bleibende Zahn kann sich nur schwer oder gar nicht in die Zahnreihe einstellen. Er kann wegen des Platzmangels sogar im weiteren Durchbruchversuch die Wurzeln der Nachbarzähne schädigen. In so einem Fall sprechen wir von einem sekundären Engstand, denn er ist quasi „erworben“, wie z.B aufgrund von Karies und kommt nicht aus genetischen Gründen zustande.
Engstand im Erwachsenenalter
Ein „verspätetes Wachstum“ des Unterkiefers kann ebenfalls eine Ursache für einen Engstand sein. Im Erwachsenenalter ist dies häufig der Fall. Wir sprechen in so einem Fall vom tertiären oder auch Adoleszenz-Engstand. Wenn der Unterkiefer erst später wächst, schieben sich die Zähne der unteren Zahnreihe weiter nach vorne, was zu einer Kollision mit den oberen Schneidezähnen beim Zusammenbeißen führen kann. Dadurch werden die unteren Zähne nach hinten gedrückt, was in einem Engstand der unteren Zahnreihen resultiert. Die Zähne verschieben sich und bedrängen sich gegenseitig.
Zudem kann sich der Kieferknochen im Verlauf des Alters weiter abbauen, was dann zu einer Verschiebung des biomechanischen Kräftegleichgewichts zwischen noch im Knochen verankerter Wurzeloberfläche und auf den Zahn einwirkenden Kräften (zum Beispiel Zungen-, Wangen- oder Lippendruck) führen kann. Auch dadurch kann ein Engstand bei Erwachsenen hervorgerufen werden.
Auch die natürliche Wanderungstendenz der großen Backenzähne kann eine Ursache für einen Engstand sein, wenn die Zähne nicht perfekt wie bei einer Perlenkette in einer Reihe stehen und so bei Druck von hinten ausweichen können. Dies hat evolutionäre Gründe und ist quasi ein „Überrest“ von früher. Denn die Steinzeitmenschen mussten oft auch harte Nahrung wie Schalen oder Sandkörner zu sich nehmen, wodurch die Kauflächen der Backenzähne stark abgenutzt und abgeschliffen wurden. In der Folge verzahnten diese sich nicht mehr miteinander und schoben sich nach vorne, um die ebenfalls stark abgenutzten Frontzähne zu unterstützen.
Weisheitszähne als Grund für Engstand
Auch die Weisheitszähne können einen Engstand bedingen, wenn sie ungünstig wachsen und so die anderen Zähne bedrängen. Ihren Namen haben sie deshalb, weil sie frühestens ab 17 Jahren und bis ins 40. Lebensjahr durchbrechen können. Die Weisheitszähne können also auch spät, nachdem eine kieferorthopädischen Behandlung längst abgeschlossen ist, dafür sorgen, dass ein Engstand entsteht. Häufig werden sie allerdings zu Unrecht schuldig gesprochen: eine Studie der Universität Aachen belegte, dass Weisheitszähne nur dann als Engstandursache infrage kommen, wenn sie mindestens um 30° nach vorn gekippt wachsen.
Überzählige Zähne
Bei ca. 1-3% der Bevölkerung sind zu viele Zähne im Kiefer angelegt, meist im Oberkiefer. Diese haben oft eine verkrümmte Krone (zum Beispiel der sogenannte Mesiodens, der eine Doppelanlage in der Mitte der oberen Schneidezähne ist) und stören dort den Durchbruch der benachbarten Zähne.
Folgen bei vorliegendem Engstand
Die wesentlichen Folgen sind asymmetrische Abnutzung von Zähnen durch ungünstiges Aufeinandertreffen beim Zusammenbeißen, und manchmal auch eine erschwerte Zahnhygiene. Durch die Verschachtelung der einzelnen Zähne miteinander, gelangt die Zahnbürste oder auch die Zahnseide nicht in jede Ecke und an jede Fläche des Zahnes. Daraus wiederum können dann Zahnerkrankungen wie z.B. Karies oder Parodontose resultieren.
Abgesehen von den oben genannten Folgen, entsteht dadurch natürlich auch ein ästhetisches Problem. Der Patient fühlt sich mit schiefen Zähnen nicht mehr wohl und vermeidet es zu lächeln. Dies kann wiederum psychische Probleme hervorrufen.
Behandlung des Engstandes
Behandlung bei Kindern und Erwachsenen
Bei einem vorliegenden Engstand muss Platz geschaffen werden. Ist das Kieferwachstum noch nicht abgeschlossen, also bei Kindern, dann kann der Kieferorthopäde das Kieferwachstum mit geeigneten Mitteln anregen. Dies sorgt dafür, dass der Kiefer dreidimensional besser wächst. Ein größerer Kiefer bietet schließlich mehr Platz für die Zähne. Eine Erweiterung des Kiefers kann mit Hilfe von losen oder festsitzenden Apparaturen umgesetzt werden. Die einfachste Methode hierbei ist die sogenannte aktive Platte, die herausnehmbar ist und mittels einer Schraube nach und nach verbreitert wird. Liegt ein funktioneller Engstand vor, wird mit Muskelbalancetraining und speziellen Funktionstrainingsgeräten gearbeitet. Hier ist die Mitarbeit des Patienten besonders gefragt, weil ein funktioneller Engstand sonst trotz Korrektur wiederkommen kann.
Eine weitere Möglichkeit besteht in der vorsichtigen Beschleifung der seitlichen Milchzähne. Durch die Beschleifung wird die Breite der Zähne verringert, um so mehr Platz für die durchbrechenden Zähne zu schaffen, denn die kleinen Backenzähne (die so genannten Prämolaren), die den seitlichen Milchzähnen nach Ausfall folgen, sind schmaler als die Milchzähne. Man kann also den Platzmangel im Zahnwechsel steuern.
Des Weiteren kann man Backenzähne nach hinten bewegen, um Platz für die Zähne davor zu schaffen. Dies geschieht entweder mit einem Headgear (Außenbogen) oder mit innenliegenden, sogenannten minipingetragenen Systemen, die man von außen nicht sieht.
Bleibende Zähne können auch vorsichtig im Zehntelmillimeterbereich poliert werden, um so Platz für den Nachbarzahn zu verschaffen. Denn: wenn man 14 Zähne in einem Kiefer um jeweils nur einen Zehntel Millimeter an jeder Seite schmaler macht, gewinnt man fast 3mm Platz – was in der großen weiten Welt nicht sehr viel ist, im Mund aber schon. Der Schmelzmantel wird danach fluoridiert und toleriert dies, wie zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen, problemlos.
Die letzte Option ist das Ziehen von Milchzähnen oder gar bleibenden Zähnen, um so Platz zu schaffen. Doch vorher werden immer alle anderen Möglichkeiten gründlich abgewogen. Das Ziehen von Zähnen wegen Platzmangels ist heute dank moderner Behandlungsmethoden selten geworden. Dennoch geht es manchmal nicht anders, insbesondere wenn die Behandlung zu spät beginnt oder wenn die Mitarbeit des Patienten in einer vorhergehenden Behandlung nicht gut war und das geplante Ziel so nicht erreicht werden konnte.
Bei überzähligen Zähnen (Doppelanlagen) entfernt der Zahnarzt den kleinen Irrläufer in einem kleinen, meist unkomplizierten Eingriff. Geschieht dies frühzeitig, verläuft die weitere Zahnentwicklung ganz normal. Wird eine Doppelanlage spät entfernt und der doppelt angelegte Zahn steht schon mehr oder weniger im Zahnbogen, so ist meist ein kieferorthopädische Korrektur notwendig, um die nach Entfernung des zu viel angelegten Zahns entstandene Lücke zu schließen und ggf. einen durch den überzähligen Zahn verursachten Engstand zu korrigieren.